Target2, die SNB und Mephistopheles
 

Target2, die SNB und Mephistopheles

 
 

Christian Müller

 
 

Jacobs University Bremen

 
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In der Zwickmühle

Welche Optionen hat die Schweizerische Nationalbank noch nach der Aufgabe des Mindestkurses und angesichts rekordtiefer Negativzinsen? Nicht sehr viele, und die sind auch alles andere als verlockend. Vor allem aber hat sich die SNB selbst in ihre Zwickmühle gebracht, wie ein Blick in die Bilanz der Bundesbank zeigt.

Ganz am Ende hat die Deutsche Bundesbank eine deutliche Warnung platziert: “Die Zeitreihe [] ist eine nachrichtliche Zeitreihe, die nicht im statistischen Beiheft zu finden ist. Sie kann nicht zur Berechnung von Salden herangezogen werden.” Gemeint ist die Target2-Reihe, die protokolliert, wenn Euros aus einem Teil der Eurozone in einen anderen transferiert werden, so als würde ein Bündner Schweizer Franken von einer Churer Bank nach Basel überwiesen.

Die Nachrichten der Target2-Reihe sind aber auch für die Schweizer Nationalbank von grosser Bedeutung, wenn auch die Botschaft nicht sonderlich erfreulich sein dürfte.

Das Mindestkursregime

Wir erinnern uns. Im August 2011 stieg der Frankenwert auf Parität zum Euro. Innerhalb weniger als zwei Jahren hatte sich der Franken damit um über dreissig Prozent aufgewertet. Als Ursache dieser Entwicklung stand schnell die Staatsschuldenkrise in Europa fest. Die Unsicherheit in der Eurozone veranlasste die Investoren, ihr Kapital in sicheren Häfen zu parkieren, allen voran in der Schweiz.

Die SNB unter ihrem damaligen Präsidenten Hildebrand antwortete auf diesen Kapitalzufluss mit der Einführung einer Wechselkursuntergrenze von 1.20 Franken je Euro. Für die Durchsetzung ihrer Politik setzte die SNB sehr viel Geld ein. Fast ein Jahr lang warf sie ab Sommer 2012 Monat für Monat über 15 Milliarden Franken auf den Markt, bis die Marktteilnehmer gelernt hatten, dass sie sich an der SNB die Zähne ausbeissen würden (Abb. 1).

Abbildung 1: Devisenmarktinterventionen der SNB 2009 – 2016 (Mio. Franken)

 

Danach nahmen die Kapitalzuflüsse ab und die SNB konnte trotz Wechselkursuntergrenze ihre Bilanz sogar etwas reduzieren. Dann kam der Dezember 2014. Im Dezember 2014 gab die Europäische Zentralbank ihr Staatsschuldenkaufprogramm bekannt. Vereinfacht gesagt versprach die EZB nichts weniger als die Notenpresse anzuwerfen.

Die Panik

Aus der Perspektive der Schweizer Notenbank, inzwischen unter neuer Führung, stellte sich die Situation wie folgt dar. Durch die Stützungskäufe für den Euro war ihre Bilanz bereits auf 90 Prozent des Schweizer BIP angewachsen. Spiegelbildlich dazu hatte sich die Geldmenge erhöht. Gemäss der monetaristischen Schule hatte sich damit Inflationspotential über jedes Mass angestaut. Die geplante Geldmengenausweitung der EZB würde nun gemäss monetaristischer Wechselkurstheorie zu einem weiteren Ansteigen des Drucks auf den Franken führen und somit weitere Währungskäufe nötig machen und die Geldmenge entsprechend ausweiten. Die Inflationsgefahr würde noch weiter zunehmen. Diese Aussicht löste bei der SNB Panik aus. Die SNB zog die Notbremse. Von einem Moment auf den anderen gab sie die Stützung des Wechselkurses auf. Gleichzeitig senkte sie die Zinsen weiter ab und zwar mit der Begründung, auf diese Weise, eine «unangemessene Straffung der monetären Rahmenbedingungen» zu verhindern. Hinter dieser Formel verbarg sich die Erwartung, dass die Stützungskäufe durch die Aufwertung des Frankens und die teilweise Freigabe des Wechselkurses zurückgehen würden und somit das Geldmengenwachstum abnehmen würde. Durch eine Senkung der Zinsen sollte dieser restriktive Impuls aufgefangen werden. Die Antwort der SNB auf die EZB-Politik kann somit als monetaristisches Lehrbuchbeispiel gelten. Jedenfalls beinahe.

Bekanntlich hat sich die Erwartung der SNB nicht erfüllt. Ganz im Gegenteil. Trotz einer über 15-prozentigen Aufwertung haben die Stützungskäufe der SNB nicht etwa abgenommen, sondern sie wurden sogar intensiviert. Die monatlich aufgewendeten Beträge übersteigen seit der Aufwertung die durchschnittlichen Werte während der Fixierung des Frankenkurses (s. Tabelle). Was hatte die SNB übersehen?

Tabelle: Devisenmarktinterventionen der SNB und Wechselkursniveaus

Periode

Monatsdurchschnitte

Mittelwert

Devisenanlagen

Mio Fr.

Bilanzsumme

Mio Fr.

Reale Wechselkurse

gesamt

Euro

flexibler Kurs (Dez 2007 - Sep 2011)

5537

5533

121

105

Mindestkurs (Sep 2011 - Jan 2015)

5120

4301

141

124

"dirty float" (Jan 2015 - Jan 2017)

6667

6695

147

131

 

Quelle: SNB, Durchschnittliche monatliche Änderungen der Bilanzposition Devisenanlagen (SNB-Code: EPB@SNB.snbbipo{D}) sowie der Grösse der SNB-Bilanz als Proxies für Devisenmarktinterventionen. Reale, effektive Wechselkurse als Indizes gemäss Definition der SNB vom März 2017 (SNB-Codes: EPB@SNB.devwkieffim{K,G,I}, EPB@SNB.devwkieffim{K,E,I}), höhere Indexwerte bedeuten grösseren kaufkraftbereinigten Aussenwert des Frankens.

Für den Irrtum der SNB sind drei Dinge verantwortlich. Erstens waren der SNB die Target2-«Salden» entgangen. Die Nachricht dieser Zeitreihe an die SNB lautet, dass eine Zunahme der Verunsicherung im Euro-Raum nicht zwangsläufig zu einer Flucht in den Franken führen muss. Innerhalb des Euro-Gebietes gibt es nämlich attraktive Fluchtalternativen; namentlich Deutschland. Diese Tatsache drückt sich im starken Anstieg des Target2-«Salden» der Bundesbank Anfang Herbst 2011 und Ende 2014 – dem Beginn und dem Ende des Mindestkursregimes – aus (Abb. 2).

Abbildung 2: Target2-«Salden» der Bundesbank 2009 – 2016 (Mio. Euro)

 

Der Verunsicherung im Euro-Raum etwa über den Weiterbestand der Währungsunion kann man nämlich entweder durch eine Flucht aus dem Euro in sichere Währungen wie dem Schweizer Franken entgehen, oder, und das ist die Nachricht der Target2-«Salden», durch eine Flucht in sichere Euro-Länder wie Deutschland.

Bei einem Auseinanderbrechen der Währungsunion, so die einfache Überlegung, würden die Euros auf italienischen oder griechischen Konten in Lira und Drachme umgetauscht werden und sofort gegenüber dem «Resteuro», respektive der wieder auferstandenen Deutschen Mark stark abwerten. Durch den frühzeitigen Transfer der italienischen Euros nach Deutschland kann die Euro-Unsicherheit also bequem abgesichert werden. Für diese Form der Absicherung muss man noch nicht einmal Wechselkursrisiken eingehen, was einen Vorteil gegenüber dem sicheren Hafen Schweiz darstellt.

Dieses innereuropäische Rezept zum Umgang mit Unsicherheit unter Umgehung der Schweiz hatte die SNB anscheinend nicht auf ihrer Rechnung. Genauso wenig wie die Wirkung ihrer Kehrtwende auf Schweizer Investoren.

Die Erschaffung der Dämonen

Die kapitalstärksten Anleger in der Schweiz sind die Pensionskassen. Deren Anlagevolumen übersteigt sogar die SNB-Bilanz deutlich. Während des Mindestkursregimes war die Lage für die Pensionskassen vergleichsweise komfortabel. Mit einer Zinsdifferenz zum Euro von ein bis zwei Prozentpunkten und einer de-facto Wechselkursgarantie war es relativ einfach, verlässliche Renditen zu erwirtschaften. So dachten sie zumindest bis zum 15. Januar 2015. An dem Tag verkehrte sich dieses Geschäftsmodell in sein Gegenteil. Anstelle positiver Renditen realisierten die Kassen empfindliche Verluste und zogen eine einfache Lehre: Traue nicht der SNB.

Nur wenige Tage zuvor hatte sich die SNB nämlich wieder zur Wechselkursuntergrenze bekannt, von einem geordneten Ausstieg war keine Rede. Daher musste die Mitteilung der SNB vom 15. Januar 2015 nicht nur wie ein Schock, sondern auch wie ein gebrochenes Versprechen wirken. Der Hinweis der SNB, die Stützung des Wechselkurses sei von Anfang an eine temporäre Massnahme gewesen, verfing bei den Marktteilnehmern wohl eher nicht.

Die rationale Reaktion der Schweizer Investoren hätte niemand geringeren als Goethes Mephisto entzückt. Denn Mephisto gleich erwies sich die SNB als „Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft“ indem sie faktisch genau das Gegenteil dessen bewirkte, was sie beabsichtigt hatte.

Nach der Aufhebung der Wechselkursuntergrenze begannen die Schweizer Anleger nämlich damit, die SNB zur Übernahme ihrer Währungsrisiken zu zwingen, indem sie ihre Euro-Bestände in Schweizer Franken tauschten. Entsprechend haben die Pensionskassen Euro-Anlagen in ihren Portfolios reduziert und hüten sich vorläufig, wieder in Euro anzulegen. Dieses Verhalten ist der SNB selbstverständlich nicht entgangen, doch dagegen etwas unternehmen kann sie faktisch nichts.

Die Ironie dieser Entwicklung liegt darin, dass eine wichtige, vielleicht sogar die wichtigste Lehre des Monetarismus darin besteht, dass selbst gesteckte Ziele glaubwürdig sein müssen. Um Glaubwürdigkeit zu erreichen, empfiehlt der Monetarismus sogar eine regelgebundene Politik, die durch menschliche Eingriffe nicht untergraben werden soll. Letztendlich bildet diese Auffassung auch die ideologische Grundlage für die Unabhängigkeit von Zentralbanken.

Der dritte Grund für den Irrtum der SNB besteht folglich darin, unter dem Druck einer theoretischen Inflationsgefahr ihre eigenen Regeln gebrochen und somit eine wichtige Stütze ihrer eigenen Politik – ihre Glaubwürdigkeit – beschädigt zu haben.

Freilich mangelt es nach wie vor nicht an wortreichen, öffentlichen Bekenntnissen zur Nationalbank und ihrer Führung. Allein, das Investorenverhalten straft diese Beteuerungen Lügen. Im Jahr 2016 musste die SNB faktisch den gesamten Schweizer Leistungsbilanzüberschuss in Franken umtauschen. Normal wäre es gewesen, wären diese Überschüsse wenigstens teilweise wieder im Ausland angelegt worden.

Leider trägt die SNB weiterhin wenig dazu bei, ihre Glaubwürdigkeit zu steigern. Dafür verantwortlich sind mindestens zwei weitere Narrative, die neben der Behauptung, die Unsicherheit in der Euro-Zone führe zur Flucht in den Franken, gepflegt werden.

Die Widersprüche

Der erste Widerspruch besteht in der Beurteilung des Aussenwerts des Frankens. In ihrer Mitteilung vom 15.1.2015 schreibt die SNB, der Franken bliebe „hoch bewertet“. Damit suggeriert sie, dass der eigentliche Marktwert des Frankens tiefer liege als er es tatsächlich ist. Allerdings, wenn die SNB an ihre eigenen Worte glauben würde, hätte es keinen Grund gegeben, die Untergrenze aufzugeben. In absehbarer Zeit hätten sich dann nämlich die Marktkräfte durchgesetzt und die SNB-Interventionen obsolet gemacht.

Der zweite Widerspruch betrifft die Grösse der SNB-Bilanz. Wie erwähnt, hat die SNB im Januar zunächst verklausuliert und später recht offen gesagt, dass sie durch ein weiteres Ansteigen der Bilanz «die Kontrolle über die Bilanz und damit über die monetären Bedingungen in der Schweiz verloren [hätte]» (A. Maechler, Direktoriumsmitglied am 31.3.2016). Wie dieser Kontrollverlust ausgesehen hätte und ab welcher Bilanzgrösse dies der Fall gewesen wäre bzw. sein wird, darüber schweigt die SNB wohlweislich.

Dieses Schweigen entlarvt das Argument zwangsläufig als irrelevant. Zudem ist es der SNB ja gerade nicht gelungen, den weiteren Anstieg der Bilanz zu bremsen, sondern das Gegenteil ist eingetreten. Um diesem offensichtlichen Versagen ihrer eigenen Argumente die Spitze zu nehmen, hat sich die SNB inzwischen darauf verlegt zu betonen, dass ihre Bilanz Ergebnis aber nicht Ziel ihrer Geldpolitik ist.

Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen, doch kommt diese Erkenntnis reichlich spät und erscheint nicht unbedingt einem vorausschauenden, nüchternen Kalkül zu folgen, sondern eher das Resultat von Versuch-und-Irrtum zu sein, also dem Gegenteil souveräner Geldpolitik. Damit stellt sich schliesslich die Frage, welche Optionen die SNB derzeit noch hat. Die Antwort hängt grösstenteils von den äusseren Umständen ab und liegt nur zu einem kleinen Teil in den Händen der SNB.

Es lassen sich drei Szenarien denken. Erstens könnte die Euro-Zone alle ihre Probleme lösen, zweitens könnte die Euro-Zone auseinanderbrechen und drittens könnte der gegenwärtige Zustand fortgeschrieben werden. In den ersten beiden Fällen, wären die Schwierigkeiten der Nationalbank gelöst. Denn sowohl durch das Auseinanderbrechen als auch durch die Erholung der Euro-Zone entstünden attraktive Investitionsmöglichkeiten im Ausland, so dass die Kapitalströme sich umkehren würden und es zu einer Abwertung des Frankens käme.

Durch einen schwachen Franken, stiegen die Devisenreserven der SNB im Wert und sie hätte die Möglichkeit, die Geldmenge durch Devisenverkäufe und damit das monetaristische Inflationsrisiko zu reduzieren. Es mag überraschen, dass auch ein Auseinanderbrechen des Euro in diesem Sinne günstig wäre. Doch in einem solchen Szenario würden die Preise auf den Kapitalmärkten der Südländer sinken und die Renditen steigen und in den Nordländern würden Euro-Aufwertungserwartungen geweckt. Dadurch würden sowohl Nord- wie Südländer für Schweizer Investoren interessant.

Der Nachteil dieser beiden Varianten ist, dass das Glück der SNB vollständig in der Hand des Auslands liegen würde. Sie könnte aus eigener Kraft und mit eigenen Mitteln ihre Probleme nicht lösen.

Die dritte Möglichkeit wäre, dass die Euro-Zone in einer Art Dauerkrise gefangen bliebe. In dieser Situation würde es helfen, wenn die SNB Abwertungserwartungen schüren könnte, doch aus den oben genannten Gründen ist das nicht glaubwürdig. Folglich ist sie darauf angewiesen, weiterhin punktuell am Devisenmarkt zu intervenieren, auch wenn diese verdeckten Interventionen letztlich aufwändiger sind als sie es während der Politik der Untergrenze waren.

Vier weitere Optionen wären die weitere Absenkung des Zinsniveaus, Kapitalverkehrskontrollen, die Wiedereinführung einer Kursuntergrenze oder die völlige Freigabe des Wechselkurses, d.h. der Verzicht auf Interventionen.

Die Optionen

Die Verschärfung der Negativzinsen könnte zur Folge haben, dass die Bargeldnachfrage stiege und diese Politik ins Leere liefe. Denkbar wäre auch, dass nur ein Teil des zusätzlichen Bargelds gehortet würde und der andere Teil würde zur kaufkräftigen Nachfrage. Durch diese Nachfrage entstünde erst die von den Monetaristen befürchtete geldmengengetriebene Inflation und die negativen Zinsen müssten wieder in den positiven Bereich gehoben werden. In diesem Moment würde der Franken aufwerten, womit diese Option ausscheiden würde.

Sollten die tieferen Negativzinsen lediglich zu einem Kapitalabfluss führen und damit zu einer Abwertung des Franken, hätte die SNB ihr Ziel erreicht. Allerdings ist dieser Ausgang, wie gesehen, nur einer von mehreren möglichen und hängt davon ab, ob durch noch tiefere Zinsen tatsächlich Abwertungserwartungen geweckt werden könnten.

Sicher sind hingegen die unmittelbaren Kosten der Negativzinsen für alle Schweizer Anleger. Diese Kosten würden den bisherigen Irrtümern der SNB ein Preisschild geben, wobei der Preis von den Anlegern und nicht von der SNB berappt werden müsste.

Kapitalverkehrskontrollen haben sich während der Finanzmarktkrise in Island bewährt. Durch Begrenzungen des Zuflusses und des Abflusses von Kapital konnte die Isländische Krone stabilisiert werden. Allerdings hat Island keinen so bedeutenden Finanzsektor wie die Schweiz. Kapitalverkehrskontrollen in der Schweiz würden die Geschäftsbasis der ganzen Branche in Frage stellen, weshalb sie ebenfalls als Politikmittel nicht oder nur in einer sehr «smarten» Form – wie auch immer die aussehen mag – denkbar wären.

Schliesslich könnte die SNB sich an der Wiedereinführung einer Kursuntergrenze, irgendwo zwischen 1.05 und 1.15 versuchen. Nach den Erfahrungen mit dem gebrochenen Versprechen dürfte dieser Versuch vor allem sehr viel Geldschöpfung erfordern. Dieses Mal würde es nicht nur darum gehen, ausländische Spekulanten von der Dauerhaftigkeit der Massnahme zu überzeugen, sondern vor allem auch inländische Investoren, was sehr schwierig werden könnte.

Die vierte Möglichkeit bestünde darin, die Wechselkursinterventionen einzustellen. In dem Fall müsste mit einer weiteren Aufwertung gerechnet werden. In der Folge käme es zu einer ernsten Krise zumindest in der Industrie und im Tourismus verbunden mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit. Angesichts der bisherigen Versicherungen der SNB bei Bedarf weiter zu intervenieren, könnte dies als ein neuerlicher Vertrauensbruch gewertet werden und den Ruf der SNB vollständig ruinieren. Wenn sich in einer solchen Situation das Publikum dann schliesslich vom Franken abwenden würde, käme es zwar zur lang erhofften Abwertung allerdings in einem Umfeld hoher Arbeitslosigkeit und (importierter) Inflation.

Die Lösung

Unter dem Strich bleibt als vernünftigste Variante die Beibehaltung der gegenwärtigen Politik des Durchwurstelns. Mittels punktueller Interventionen kann die SNB den Wechselkurs auf einem einigermassen erträglichen Niveau halten. Dadurch wird die Bilanzsumme zwar weiterhin zunehmen, doch das Risiko, das von der Bilanz ausgeht ist sehr einseitig verteilt.

Fällt aufgrund der Überbewertung der Frankenwert, wie die SNB es immer wieder ankündigt, so steigt der Wert der Devisenreserven. Durch den Verkauf der Reserven könnte die SNB dann einerseits eine übermässige Aufwertung bremsen und somit den Inflationsimport begrenzen und andererseits würde sie die Geldmenge reduzieren und somit auch den von ihr gefürchteten monetaristischen Inflationsschub. Eine Abwertung des Frankens ist also grundsätzlich kein Problem.

Doch auch eine Aufwertung sollte für die SNB kein Problem darstellen denn eine Aufwertung der eigenen Währung ist die einzige Kursentwicklung, die eine Nationalbank erfolgreich bekämpfen kann. Wie die Erfahrung der SNB gezeigt hat, ist dies umso einfacher, je glaubwürdiger die SNB agieren kann. Um ihre Glaubwürdigkeit zu steigern, respektive wiederherzustellen, könnte die SNB allerdings genötigt sein, sich eine neue Führung zu geben.

Angesichts dieser Umstände, dürfte aus SNB-Sicht, die Verschärfung der Negativzinspolitik trotz ihrer Risiken und möglichen Nebenwirkungen sehr verlockend sein. Die SNB würde nach aussen hin handlungsfähig und unabhängig von Entwicklungen im Ausland erscheinen. Diese Option ist allerdings hoch riskant und nur ihre Kosten sind vorab sicher.

Die Ausgangslage der SNB ist trotz aller Widersprüche noch immer recht komfortabel. Denn wenn auch die SNB das Vertrauen so manches Investors verloren hat, so ist der Glaube an den Franken und die Stärke der Schweiz noch intakt. Um diesen Vorschuss nicht zu verspielen, ist zu hoffen, dass die SNB erstens aufhört, sich vor ihrer eigenen Bilanz zu fürchten. Zweitens muss sie erkennen, dass die SNB als Insel im Euro-Raum nur dann maximale Handlungsfreiheit haben kann, wenn sie ihre Glaubwürdigkeit wieder vollständig herstellt.

Die Target2-«Salden» der Bundesbank überbringen folglich tatsächlich «nur» Nachrichten. Es wäre gut, wenn ihre Botschaft auch in der SNB ankäme.

 
     
 

9. April 2017